Ein Jahr Social Intranet – ein Erfahrungsbericht.

Frank Wolf —  22. Oktober 2009 — 10 Comments

Eine aktuelle Sicht aus dem Jahr 2018 auf das Social Intranet Konzept habe ich auf dem Staffbase Blog veröffentlicht.

Ein wichtiger Teil unserer Social Media „Weltanschauung“ resultiert aus unserem eigenem Social Intranet. Es basiert auf dem Enterprise Wiki Confluence von Atlassian und heisst bei uns intern einfach nur „Teamweb“. Das Teamweb ist jetzt über ein Jahr alt und mit etwas Abstand zu den Feierlichkeiten möchte ich im Folgenden unsere Erfahrungen und Erkenntnisse aus diesem Jahr beschreiben.

Die T-Systems Multimedia Solutions hat über 700 Mitarbeiter an 8 Standorten in Deutschland. Wir hatten bislang ein CMS auf Basis von Vignette als Intranet genutzt und zusätzlich Sharepoint (MOSS 2007) als Plattform für Projektteams innerhalb der Firma und in der Zusammenarbeit mit Kunden im Einsatz. Das neue Social Intranet basiert wie schon erwähnt auf Confluence, wir haben gerade ein Upgrade auf die Version 3.0 hinter uns.  Das alte Intranet läuft noch parallel, wird aber in naher Zukunft abgeschaltet.

Ein durchschnittlicher Monat (Juni) in Zahlen :

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Wir wurden für unser Social Intranet und dabei im Besonderen den Anwendungsfall der unternehmensweiten Strategieentwicklung im Social Intranet auch als Excellente Wissensorganisation in diesem Jahr durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgezeichnet. Das ist eine schöne Anerkennung und wir freuen uns sehr darüber, aber am Ende interessiert aber vor allem eine Frage:

Was hat es gebracht?

Man findet. Das alte Intranet war immer gut, um eine Vorlage zu finden, oder die Telefonnummer vom Service Desk. Aber die Frage was derzeit bei einem bestimmten Thema passiert? Undenkbar! Heute kann man beispielsweise nach der Open Source Software Magento suchen und bekommt sofort einen Überblick: wer beschäftigt sich damit, welche Dokumente, Präsentationen oder Veranstaltungen gibt es. Man findet also nicht mehr nur statische Informationen sondern sehr aktuelles und geschäftsrelevantes Wissen. Wichtiges liegt nicht mehr auf versteckten Fileservern oder in einzelnen Email Fächern, sondern ist viel besser und breiter zugänglich. Der Nutzen dieses Neuen Findens ist schwer quantifizierbar aber gefühlt ist es ein riesiger Fortschritt. Für mich das wichtigste Ergebnis des Social Intranet. Das sehen übrigens die Befragten der 3. McKinsey Web 2.0 Studie ähnlich, die „Increasing speed of access to knowledge“ ganz klar als bedeutsamsten Nutzen der internen Nutzung von Social Software hervorheben.

Vernetzung und Zusammenarbeit. Die einfache Technologie und die extrem vereinfachten administrativen Abläufe zur Eröffnung eines Gruppenbereiches haben das „Anstrengungslevel“ zur Initiierung einer wie es bei uns heißt „Interessengemeinschaft“ (IG) deutlich gesenkt. Stand heute haben wir 36 aktive IG’s , die eine wichtige Rollen in der internen Vernetzung und Wissensverbreitung, aber auch für unsere Innovation spielen. Es hat sich dabei gezeigt, dass viele dieser IG’s bereits irgendwie existierten, aber ihnen ein zentraler Ort des Koordination, der Zusammenarbeit oder auch nur des losen Austausches fehlte. Keine Frage, dass es hier null Überzeugungsarbeit brauchte, um diese Expertengruppen ins Social Intranet zu holen. Diese Mitarbeiter wollten schon immer zusammenarbeiten und haben nur intensiv nach den richtigen Rahmenbedingungen gesucht. Solche extrem motivierten Anwender sind auf jeden Fall ein Schlüssel dafür, auch in einer frühen Phase Aktivität, Inhalte und Leben in ein Social Intranet zu bekommen.

Neue Öffentlichkeit. Klassische Instrumente zur Schaffung von Öffentlichkeit in Unternehmen wie Gremien, Bereichsmeetings oder Newsletter sind stark reguliert und der Zugang zu ihnen reglementiert. Das Social Intranet hat eine neue, sehr egalitäre Öffentlichkeit geschaffen, die nicht nach Status oder Position fragt, sondern in der vor allem Inhalte und gute Argumente zählen. Das macht viele engagierte Mitarbeiter sichtbar und motiviert diese gleichzeitig, sich noch mehr einzubringen. Junge Mitarbeiter fühlen sich mehr einbezogen und ernst genommen und können aus eigener Initiative viel mehr bewegen als vorher. Aber auch das Unternehmen gewinnt: Diskussionen und Themen die bislang immer im Saft der gleichen Gremien und Beteiligten geschmort wurden, werden für interessierte und engagierte Mitarbeiter geöffnet und bekommen so neue Denkanstösse und Ideen. So lässt sich Innovation auf eine breitere Basis stellen und mehr in der gesamten Organisation leben, als nur in einigen wenigen Bereichen.

Training für neue Aufgaben. Social Media wird die Außengrenzen von Unternehmen nicht auflösen, aber sehr durchlässig machen. Je mehr Mitarbeiter sich sicher und authentisch in den neuen virtuellen sozialen Räumen zwischen Unternehmen, Partnern und Kunden bewegen können, umso besser. Es kostet jeden Überwindung, einen ersten Kommentar oder Blogpost zu schreiben – theoretisch könnten das ja alle lesen. Das Social Intranet fungiert hier als eine Art geschützter Trainingsplatz, auf dem sich Mitarbeiter probieren und entwickeln können. Die Bereitschaft, Motivation und vor allem auch die Kompetenz auch nach außen zu kommunizieren (Bloggen, Kommentare, Barcamps, Paper,…) ist dadurch deutlich gewachsen.

Was haben wir gut gemacht?

Diese Ergebnisse sind nicht zufällig entstanden – wir haben über viele Entscheidungen und Details lange diskutiert und den Einführungs- und Wachstumsprozess sehr aktiv begleitet. Im folgenden eine Auswahl von Punkten, die aus heutiger Sicht ganz entscheidend zum Erfolg beigetragen haben.

Maximale Offenheit. Die T-Systems MMS besteht aus einzelnen Profit Centern, die in erster Linie ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolg suchen. Die Bereitschaft zur übergreifenden Zusammenarbeit und zum Wissensaustausch ist deshalb individuell sehr verschieden. Unter diesen Vorraussetzungen war es keine Option, eine Offenheit auf freiwilliger Ebene zu etablieren. Deshalb haben wir hier die klare  Ansage des Top Managements eingefordert und auch bekommen, dass alle Inhalte, die nicht in irgendeiner Weise geschützt werden müssen (z.B. aus rechtlichen Gründen), für alle Mitarbeiter frei zugänglich sein sollen. Wer einen geschlossenen Bereich anlegen möchte, muss das also gut begründen. Im Normalfall sind neue Arbeitsbereiche immer offen. Das ist mittlerweile vollkommen akzeptiert und wird überhaupt nicht mehr in Frage gestellt. Heute sind ca 90% der Bereiche offen und allen Mitarbeitern zugänglich.

Ein Social Intranet, das einen hohen Prozentsatz an geschlossenen Bereichen aufweißt, kann für die Individuelle Zusammenarbeit von Teams oder Interessengemeinschaften sehr hilfreich sein, der für uns so zentrale Nutzen des „Findens und Vernetzens“ wird sich aber kaum einstellen. Ein einfacher Wechsel der Perspektive reicht dabei als erster Schritt schon aus: Klassischerweise ist Geschlossenheit die Regel und Offenheit die Ausnahme: „Welche Informationen können wir freigeben?“. Die alternative Frage „Welche Informationen müssen wir schützen?“ wird zu wesentlich mehr Offenheit und Sichtbarkeit führen und stellt dabei trotzdem den Schutz sensibler Informationen sicher.

Unterstützung von Management und Stab. Management Support wird immer eingefordert, die Frage ist oft, ob und wie er dann auch kommt. Die wichtige Rolle des Managements im Projekt war neben dem Projektsponsoring an sich, vor allem die Entscheidung zum Thema Offenheit. Eine sehr gute und wichtige Möglichkeit, das Management mit einzubeziehen, ist der Stab oder die Assistenz der Geschäftsführung. Hier läuft viel zusammen und hier passiert viel „indirekte“ Steuerung des Managements. Wenn der Stab, wie in unserem Fall, ein leidenschaftlicher Verfechter des Social Intranets ist, dann ist sichergestellt, dass es nicht bei Absichtserklärungen bleibt, sondern das Management sich wirklich nachhaltig dem Thema annimmt und die Tools auch im eigenen Tagesgeschäft nutzt.

Ein weiterer Glücksfall war in jedem Fall die Entwicklung der neuen Unternehmensstrategie, die ausschließlich im Social Intranet stattfand und in einer frühen Phase dafür gesorgt hat, dass über 60 Führungskräfte im Social Intranet arbeiten durften/mussten, um aktiv am Strategieprozess teilnehmen zu können. Als Anwendungsfall für Social Software und Change Management Maßnahme für alle Führungsebenen bei der Einführung von Social Software uneingeschränkt zu empfehlen.

Anwendungsfälle, die Probleme lösen. Wir haben von Anfang an eine Reihe von Anwendungsfällen geplant, die im Social Intranet laufen sollten. Den Fall der Strategieentwicklung habe ich eben schon erwähnt. Ein weiterer, eher einfacher aber wichtiger Anwendungsfall sind Bereiche für alle Abteilungen und Service Units. Diese konnten Ihre Informationen nun selbst einpflegen und aktuell halten. Auf diese Weise waren schnell viele relevante Inhalte online. Dieser Anwendungsfall ist auf den ersten Blick wenig Spektakulär, er hat aber einen großen Vorteil: Er überfordert keinen und nimmt jeden mit, weil jeder diese Struktur schon aus dem alten Intranet und aus der Organisation selbst kennt. Nur sind die Inhalte jetzt viel aktueller und lebendiger, weil sie auf einer viel breiteren Basis erzeugt werden. Im Laufe der Zeit sind viele Anwendungsfälle hinzugekommen, viele anfangs zentral gesteuert, aber mehr und mehr übernimmt dezentrale Initiative das Feld. Eine kleine Auswahl: Innovationsmanagement, Abbildung aller Prozessmodelle inklusive deren Weiterentwicklung, Vorlagen und Templates, Schulungskoordination, Bereiche für die Organisation von Events und Offsites, Bereiche für Standorte, Interessengemeinschaften, Knowledge Base, Sales Team Koordination, Speisepläne, Organisation von Sportgruppen, Starter Kit für neue Mitarbeiter, Umfragen, Management interner Projekte, Unternehmensweiter Wochenbericht.

Struktur. Wer denkt, ein Wiki habe oder brauche keine Struktur, der irrt. Auch Wikipedia hat als Enzyklopädie implizit eine sehr feste Struktur vorgegeben. Genauso braucht auch ein Social Intranet eine Struktur, die man leicht versteht, denn diese hilft den Nutzern sich zu orientieren und sich auch im Angesicht von großen Datenmengen zurechtzufinden. Wir haben deshalb viel Wert auf eine gute und übersichtliche Navigation gelegt (und hier auch gegenüber dem Confluence Standart kräftig weiterentwickelt), die immer die Frage beantwortet „Wo bin ich gerade“ und „Was gibt es noch?“

Teamweb

Beispiel IG Enterprise 2.0: Links die Navigation innerhalb des Bereiches, oben quer die Gesamtnavigation mit einem schnellem Zugriff auf alles Wichtige im Social Intranet.

Woran müssen wir noch arbeiten?

Natürlich ist nicht alles perfekt. Einige Punkte, die weniger gut funktioniert haben oder noch vor uns liegen will ich nicht unterschlagen, schließlich lernt man daraus ja am meisten.

Tückische Beta Phase. Wir haben das Social Intranet mit einer Beta Phase gestartet und in dieser sehr schnell viele Nutzer und viele kritische Anwendungsfälle auf die Plattform bekommen. Bei der Kritikalität waren wir also schnell in der Nähe unserer etablierten Enterprise Anwendungen, bei Hardware, Support, Monitoring und Betriebsprozessen aber noch mitten im Experimentierstadium. Ein professioneller Betrieb muss also sehr früh mit geplant und vorgedacht werden, im Zweifel wachsen Social Intranets schnell über den Experimentierstatus eines Wikis unterm Schreibtisch heraus und dann sollten die neu gewonnen Nutzer nicht durch Systemausfälle oder gar Datenverluste frustriert werden.

Das späte Dashboard. Social Intranets produzieren viele Informationen, die Nutzer schnell überwältigen können. Confluence hat von Haus aus ein eher schwaches Dashboard, also eine Startseite, die wichtige Informationen auf einen Blick anzeigt. Andere Produkte wie z.B. Jive bieten hier wesentlich mehr in Richtung Informationsvielfalt, Aggregation und vor allem auch Personalisierung von Informationen. Wir hatten deshalb ein externes Dashboard geplant, das aber erst gemeinsam mit der übergreifenden Unternehmenssuche Ende dieses Jahres fertig sein wird. Ein gutes Dashboard ist ein sehr wichtiges Akzeptanzkriterium für ein Social Intranet und sollte möglichst zeitgleich (wenn es nicht wie bei einigen Produkten wie Jive sowieso schon eingebaut ist) mit dem Social Intranet ausgerollt werden.

Übergreifend Finden. Ein ähnlicher Punkt wie das Dashboard. Eine gute übergreifende Suche, die nicht nur das Social Intranet sondern auch weitere relevante Anwendungen durchsucht, ist extrem wichtig für die Akzeptanz und die gefühlte Kontrolle der Nutzer über die internen Informationsressourcen. Auch hier haben wir einiges vor und gegenwärtig im Rollout (siehe den letzten Teil des Artikel über Xing), es hätte aber gern schon eher kommen können.

Lernen zu Vergessen. Der Umgang mit den wachsenden Datenmengen wird eine der Herausforderungen für die Zukunft. Theoretisch ist Speicherplatz zwar unbegrenzt vorhanden und eine gute Suche findet auch alles, aber hier geht es vor allem um den Aspekt der Struktur. Das Social Intranet muss auch noch in fünf Jahren eine leicht verständliche Struktur haben, die nicht vom Ballast der Jahre aufgeblasen und in vielen Teilen unrelevant geworden ist. Hier muss man lernen zu vergessen oder zumindest zu archivieren.

Fazit

Die Entwicklung unseres Social Intranet hat uns positiv überrascht und in vielerlei Weise auch bestärkt, dass hinter den vielen Buzzwords der 2.0 Welt ein grundsolides Nutzenversprechen steht und unsere Art zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten in den nächsten Jahren nachhaltig verändern wird. Es wird sehr spannend zu sehen, inwieweit sich neben dem mittelfristig nicht aufzuhaltenden Einzug sozialer Plattformen in die Unternehmen, klassische Content Management Intranets werden behaupten können. Moderne Social Software Suiten können ein CMS System im Intranet Bereich durchaus ersetzen und bringen nebenbei noch eine komplette Kollaborationsplattform mit.

10 responses zu Ein Jahr Social Intranet – ein Erfahrungsbericht.

  1. Für alle, die nicht genug bekommen können:-) Das Teamweb wurde schon in einigen frühren Publikationen besprochen und erwähnt:

    Interview mit Geschäftsführer Peter Klingenburg zum Thema Wissensmanagement:
    http://blip.tv/play/AdCbX4mgeA

    Interview mit Stefan Ehrlich und Berit Jungmann zum Teamweb: http://thefutureoflearning.wordpress.com/2008/09/17/wissensmanagment-auf-wikibasis/

    Beitrag von Dirk Röhrborn: Der spannende Weg zum Intranet 2.0: Firmen-Wiki als Teamweb mit Atlassian Confluence http://www.humannetworkcompetence.de/2008/10/28/der-spannende-weg-zum-intranet-20-firmen-wiki-als-teamweb-mit-atlassian-confluence/

    Beitrag „So helfen Wikis weiter“ in der Computerwoche:
    http://www.computerwoche.de/karriere/karriere-gehalt/1878893/index.html

  2. Lernen zu vergessen: Auch wir haben bei uns Confluence im Einsatz und hatten diese Herausforderung. Wir haben dazu ein Plugin konzipiert und zusammen mit Midori entwickelt: Das Confluence Archiving Plugin.

    Hat eben den Grand Prize des Codegeist Wettbewerbs von Atlassian gewonnen.

    Vielleicht löst das eure Herausforderung?

  3. Danke fuer diesen schoenen Bericht, deren Erfahrungen ich gerne mit in meine Hausarbeit ueber Social Media und die Unternehmenskommunikation einbaue.

    gruße Kosh

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